20.04.2018

Ein Himmel voller Drohnen?

Online-Händler und Transportunternehmen träumen von einer Welt, in der Drohnen Waren aller Art liefern. Doch was bedeutet ein Himmel voller Drohnen für Umwelt, Sicherheit und Privatsphäre? ÖAW-Forscher Michael Nentwich hat dazu jüngst eine Studie durchgeführt.

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Den meisten Menschen sind Drohnen vor allem aus Kriegsfilmen bekannt. Doch die unbemannten Flugobjekte werden längst nicht mehr nur vom Militär eingesetzt. Seit geraumer Zeit erobern sie auch unseren Alltag. Denn die Möglichkeiten, die sie bieten, scheinen verlockend: Foto- und Filmaufnahmen aus luftigen Höhen sind mit ihnen ebenso möglich wie die Lieferung von Waren.

Doch insbesondere die Vision eines drohnenbasierten Lieferverkehrs hat ihre Tücken, wie Michael Nentwich vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erklärt. Er hat jüngst eine Überblicksstudie fertig gestellt, die deutlich macht, dass Drohnen nicht nur Potentiale sondern auch einige Risiken mit sich bringen. Welche das sind, erzählt er im Interview.

Sie sagen, ein Himmel voller Transportdrohnen hätte eine Reihe von Folgen für Umwelt und Sicherheit. Welche wären das?

Michael Nentwich: Die größte Umweltfolge ist der Lärm. Man glaubt gar nicht, wie laut Transportdrohnen sind. Das ist nicht zu vergleichen mit den kleinen Spielzeugdrohnen, die nur ein wenig surren. Eine Lieferdrohne besteht aus mindestens acht Rotoren. Wenn rund um die Uhr mehrere hunderte Drohnen auf 40 Meter Höhe und tiefer über unserem Himmel fliegen, dann macht das schon was aus.

Die größte Gefahr für die Sicherheit ist neben Unfällen der Missbrauch. 

Die nächste Folge wäre natürlich die Unfallgefahr. Da kann einfach immer etwas passieren. Insbesondere, wenn die Drohnen über Menschen fliegen. Die Transportdrohnen sollen immerhin ein paar Kilo tragen. Man bräuchte hier schon Helme, um sich wirklich zu schützen. Die größte Gefahr für die Sicherheit ist aber neben den Unfällen der Missbrauch. Man könnte mit dem Paket, das schön getarnt ist, auch etwas anderes transportieren, sogar eine Bombe.

Sie haben als erster österreichischer Forscher eine Überblicksstudie zu diesem Thema durchgeführt. Welchen Einblick haben Sie gewonnen?

Nentwich: Am Anfang meines Projekts bin ich davon ausgegangen, dass Drohnen ohnehin keine große Rolle spielen. Ich dachte Amazon macht das nur aus Werbezwecken. Doch dann habe ich eine Reihe von Wirtschaftstreibenden entdeckt, die hier ordentlich investieren. In Island kann man sich beispielsweise schon seine Pizza mit einer Drohne liefern lassen. So etwas Ähnliches gibt es auch in Neuseeland. In Afrika werden die Drohnen dafür benutzt, um schwer zugängliche Dörfer zu erreichen, und sie mit wichtigen Gütern wie Medizin zu beliefern.

In Island kann man sich bereits seine Pizza mit einer Drohne liefern lassen.

Und dann gibt es Firmen wie den Deutschen Paketdienst DHL oder die Österreichische Post, die ebenfalls in Drohnenexperimente investieren. Die Österreichische Post hat beispielsweise gemeinsam mit der TU Graz einen Versuch durchgeführt, bei dem ein Postauto eine Route entlang fährt und die Drohnen quasi ausschwärmen, um Häuser die auf dem Umweg liegen, mit Paketen und Briefen zu  beliefern. So stellen sich die Unternehmen also den Lieferdienst der Zukunft vor.

Was sind die wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass ein Lieferdrohnen-Service eingeführt wird?

Nentwich: Grundvoraussetzung ist, dass das System sicher ist und die Drohnen unfallfrei und autonom fliegen können. Bisher fliegen die Drohnen nämlich nicht autonom, sondern werden von Pilot/innen gesteuert. Im großen Stil bräuchte man aber so viele Pilot/innen, dass sich das wieder nicht rechnen würde. Daher müssten Drohnen völlig autonom fliegen. Und dann braucht es noch viele Sicherheitsfeatures, damit die Drohnen das Paket zum richtigen Landeplatz fliegen, dass sie den Empfänger bei der Paketübernahme nicht verletzen etc. Da gibt es technische Aufrüstungen mittels Kameras und vielen weiteren Features.

Derzeit sind Lieferdrohnen in Österreich noch nicht zulässig. Man müsste dafür völlig neue Regelungen in der Luftverkehrsordnung schaffen.

Im Moment sind Lieferdrohnen in Österreich noch nicht zulässig. Man bekommt nur Genehmigungen für Experimente. Man müsste dafür völlig neue Regelungen in der Luftverkehrsordnung schaffen. Die allererste Voraussetzung ist aber, dass wir uns als Gesellschaft gemeinsam die Frage stellen, ob wir einen Himmel voller Lieferdrohnen überhaupt wollen? Erst danach sollten entsprechende Regeln geschaffen werden.

Auch der Aspekt der Privatsphäre wäre Teil solcher neuen Regelungen oder?

Nentwich: Exakt. Der Punkt ist, dass so eine Drohne, damit sie autonom fliegen kann, genau wissen muss, wo sie ist. Daher ist sie mit Kameras und anderen Sensoren bestückt. Jetzt stellt sich die Frage, was mit dem aufgenommenen Material passiert? Wird das nur innerhalb der Drohne bearbeitet und sofort gelöscht? Wie wird einem Missbrauch vorgebeugt? Überall, wo Daten entstehen, können Daten missbraucht werden. Hier braucht es genaue Regeln.

Wie rasch könnten Lieferdrohnen zu unserer Realität werden?

Nentwich: Technisch wäre es relativ bald möglich, dass Drohnen autonom und sicher fliegen können. Ich würde sagen, da wären wir in zwei bis drei Jahren so weit. Ich hoffe jedoch schon, dass es zuerst eine gesellschaftliche Diskussion gibt und wir beschließen, wofür wir die Drohnen einsetzen möchten.

Ich habe da beispielsweise Spezialanwendungen im Kopf. Drohnen könnten eingesetzt werden, um Ärzt/innen und Krankenhäusern Organe und Medikamente zu liefern, die dringend sind. Ich sehe Drohnen auch als Möglichkeit, schwer erreichbare Gebiete, beispielsweise auf der Alm zu erreichen. Es gibt viele Möglichkeiten und wir sollten gezielt bestimmen, was wir wollen und was nicht. Schließlich müssen wir uns letztendlich die Frage stellen: Brauchen wir wirklich eine Drohne, die uns Pizza liefert?

 

Michael Nentwich ist Jurist und habilitierter Wissenschafts- und Technikforscher. Seit 2006 ist er Direktor des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der ÖAW. Forschungsaufenthalte führten ihn u.a. an die University of Warwick und die University of Essex sowie an das Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln. Nentwich ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher und Artikel in wissenschaftlichen Journalen und Sammelbänden.

Die Studie “Delivery drones from a technology assessment perspective” betrachtet die möglichen Folgen von Lieferdrohnen für Umwelt, Gesundheit und Gesellschaft. Sie ist online via open access nachzulesen.

Überblicksstudie zu Lieferdrohnen

Institut für Technikfolgen-Abschätzung der ÖAW