08.10.2018

Ausgrabungen in Israel werfen neues Licht auf Bronzezeit

Das israelische Tel Lachisch ist eine wahre Fundgrube für die Archäologie. Forscher/innen der ÖAW führten dort heuer bereits zum zweiten Mal Ausgrabungen durch. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Geschichte der mittleren Bronzezeit in der Region wohl umgeschrieben werden muss.

Fundstück: Der erste Skarabäus der neuen Grabungssaison am Tel Lachisch, wo Archäolog/innen der ÖAW seit 2017 Ausgrabungen durchführen. © OREA/ÖAW

Tel Lachisch ist einer der bedeutendsten bronze- und eisenzeitlichen Fundorte des heutigen Israel – und hält noch so manches Rätsel für Archäolog/innen bereit. Denn während die Besiedelung während der Eisen- und Spätbronzezeit durch Grabungen als gut erforscht gilt, sind die Mittel- und frühe Spätbronzezeit – also die geschichtliche Periode vor rund 3.500 Jahren – bisher nur in Ausschnitten bekannt.

Licht in dieses Dunkel will Felix Höflmayer vom Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) bringen. Bereits zum zweiten Mal führten er und sein österreichisch-israelisches Team heuer Ausgrabungen in Tel Lachisch durch. Dabei konnten die Wissenschaftler/innen neben zahlreichen Funden auch völlig neue Erkenntnisse zur Zerstörung der Siedlung gewinnen. Denn bisher nahm man an, dass die Ägypter in der Mittelbronzezeit dafür verantwortlich waren. Neueste Radiokarbondaten zeigen jedoch: Die blühende Stadt Tel Lachisch brach wohl bereits vorher zusammen.   

Sie haben mit einem internationalen Team von Forscher/innen der ÖAW und der Hebräischen Universität Jerusalem archäologische Grabungen im israelischen Tel Lachisch durchgeführt. Was macht Tel Lachisch so besonders?

Felix Höflmayer: Tel Lachisch, das rund 40 Kilometer südwestlich von Jerusalem liegt, ist einer der bedeutendsten Fundorte Israels, der während der gesamten Bronze- und Eisenzeit besiedelt war. Schon in der Mittelbronzezeit hatte Lachisch überregionale Bedeutung und stand in Handelskontakt mit Zypern oder dem Libanon. In der Spätbronzezeit kennen wir den Fundort beispielsweise aus ägyptischen Quellen und auch in dieser Zeit lässt sich die überregionale Bedeutung anhand von Importen aus Zypern, Ägypten oder der Ägäis nachvollziehen.

Lachisch war nach Jerusalem die zweitwichtigste Stadt in Juda.

Aber auch in der Eisenzeit ist Lachisch von besonderer Bedeutung und war nach Jerusalem die zweitwichtigste Stadt in Juda. Neben den gut erhaltenen eisenzeitlichen Befunden, wie etwa dem Sechskammertor oder dem Palastpodium sind es hier vor allem die assyrischen und babylonischen Zerstörungen, die besondere Relevanz haben. Kurz vor der Zerstörung des ersten Tempels durch die Babylonier 586 v. Chr. und dem daran anschließenden babylonischen Exil fällt auch Lachisch. Tel Lachisch ist also durch alle Perioden ein ausgesprochen geschichtsträchtiger Fundort, gleichzeitig sind aber, trotz mehrerer Ausgrabungen, vor allem die Schichten der Mittel- und Spätbronzezeit kaum erforscht.

Nun ist es das erste österreichisch-israelische Grabungsprojekt überhaupt. Und Sie haben bereits neue Erkenntnisse. Welche sind das?

Höflmayer: Gegenwärtig arbeiten wir in zwei unterschiedlichen Arealen, Areal S und Areal P. Areal S ist ein Tiefschnitt auf der Westseite des Fundplatzes, der bereits von der von David Ussishkin geleiteten Grabung der Universität Tel Aviv begonnen wurde. Dabei wurde bis in die Spätbronzezeit hinuntergegraben. Unser Ziel ist hier den Übergang von der Mittel- zur Spätbronzezeit zu erfassen. Im Areal S konnten wir eine Ecke eines enormen Gebäudes ausgegraben, das in Ansätzen schon David Ussishkin bekannt war. Doch während er diese Siedlungsschichten in das 14. Jahrhundert v. Chr. datiert hatte, zeigen unsere Radiokarbondaten, dass es tatsächlich in das 15. Jahrhundert v. Chr. gehört.

Warum ist diese Erkenntnis für die Archäologie so wichtig?

Höflmayer: Diese Verschiebung ist deshalb relevant, weil die entsprechenden Siedlungsschichten nun zeitgleich mit dem Papyrus Eremitage 1116A sind, welche zur Regierungszeit von Thutmosis III. oder Amenophis. II. eine Gesandtschaft aus Lachisch am pharaonischen Hof erwähnt. Nun können wir diesem Ereignis auch die entsprechende Archäologie zuordnen.

Am Übergang von der Mittel- zur Spätbronzezeit vermuten Forscher/innen einen fundamentalen gesellschaftlichen und politischen Wandel. Wie könnte dieser ausgesehen haben? 

Höflmayer: Das Ende der Mittelbronzezeit ist durch massive Zerstörungen in der gesamten Südlevante gekennzeichnet, die man üblicherweise um 1550 v. Chr. datiert hatte. Damit wurde dieses Ereignis mit einem anderen politischen Umbruch in Ägypten gleichgesetzt. Dort hatte eine kanaanäische Fremdvölkerdynastie, die sogenannten Hyksos  in Nordägypten die Macht an sich gerissen und erst die ägyptischen Könige der späten 17. Dynastie und schließlich Ahmose, der erste König der 18. Dynastie waren in der Lage die Hyksos aus ihrer Hauptstadt Avaris zu vertreiben. Dieses historische Ereignis kennen wir vor allem aus schriftlichen Quellen, die uns auch berichten, dass Ahmose anschließend mit der ägyptischen Armee Scharuhen – heute Tell el-Ajjul im Gazastreifen – belagerte. Daher hat man lange Zeit angenommen, dass die Zerstörungen der Mittelbronzezeit in der Region auf die ägyptische Armee zurückzuführen seien, die die vormalige Machtbasis der Hyksos zerstörte.

Aufgrund unserer Daten glauben wir, dass die blühenden Städte der Mittelbronzezeit zuerst zusammenbrechen und die Ägypter möglicherweise nur in ein politisches Vakuum vorstießen.

Und dem ist nicht so?

Höflmayer: Unsere bisherigen Radiokarbondaten scheinen dem zu widersprechen. Aufgrund unserer Daten glauben wir, dass die massiven Zerstörungen am Ende der Mittelbronzezeit der Vertreibung der Hyksos vorausgehen. Dies würde das historische Narrativ freilich auf den Kopf stellen. Dann würden die blühenden Städte der Mittelbronzezeit zuerst zusammenbrechen und die Ägypter würden möglicherweise nur in ein politisches Vakuum vorstoßen, bevor sie sich in der darauf folgenden Spätbronzezeit die Vorherrschaft in der Levante sichern. Aus diesem Grund ist der Übergang von der Mittel- zur Spätbronzezeit von besonderer Bedeutung, da er die Grundlage für eine Periode liefert, die in der Forschung auch als „erste Globalisierung“ bezeichnet worden ist.

Sie sind derzeit wieder zurück in Wien. Was planen Sie für die kommenden Grabungen in Tel Lachisch?

Höflmayer: Das Ziel für die nächsten zwei Jahre ist die Mittelbronzezeit in Areal S zu erreichen und den Palast in Areal P weiter auszugraben, um eine solide Basis für unsere naturwissenschaftliche Datierung zu bekommen. Anschließend werden wir Grabung und Funde aufarbeiten und publizieren. Außerdem arbeiten wir gegenwärtig an der Konzeption eines Nachfolgeprojektes, das sich den gesellschaftlichen Folgen traumatischer Niederlagen wie etwa nach der assyrischen oder babylonischen Zerstörung widmet. Unser Ziel ist letztlich österreichisch-israelische Ausgrabungen am Tel Lachisch als langfristiges Projekt zu etablieren.

 

Das Projekt „Tracing Transformations“ wurde vom Wissenschaftsfonds FWF mit einem START-Preis ausgezeichnet und ist am Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der ÖAW angesiedelt. Preisträger Felix Höflmayer untersucht darin mit seiner Kooperationspartnerin Katharina Streit von der Martin Buber Society of Fellows der Hebräischen Universität Jerusalem den Übergang der Mittel- und Spätbronzezeit.

Impressionen von der Grabung Tel Lachisch sind auch im aktuellen Imagefilm des Instituts für Orientalische und Europäische Archäologie der ÖAW zu sehen:
Making the Past Speak – Learn about OREA
 

Projekt Tracing Transformations

Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der ÖAW